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Rezension von Andy Winkler
Vor viereinhalb Jahren erschien mit „Die letzte Verwandlung“ der 20. und letzte Band aus der Buchreihe „Der kleine Vampir“. Von der Autorin Angela Sommer-Bodenburg mit ihrer humorvollen, einfühlsamen und einzigartigen Schreibweise 1979 „ins Leben gerufen“, begleitet uns der kleine Vampir bereits seit über 30 Jahren. Verständlich, dass nach so langer Zeit der letzte Band trotz eines fröhlich gestimmten Satzes an dessen Ende bei den langjährigen Lesern und Fans etwas Wehmut aufkommen ließ. Umso erfreuter wurde die Ankündigung des Erscheinens von „Annas von Schlottersteins Nächtebuch“ aufgenommen.
Wie der Titel bereits verrät, handelt es sich dabei nicht um eine Fortsetzung von „Der kleine Vampir“, sondern um ein eigenständiges Werk, wenngleich eng mit der Buchreihe verknüpft.
Alles
beginnt, als Anna in einer Nacht vom 4. auf den 5. September ein Buch mit
schwarzem Samteinband, einem goldenen Schloss mit Schlüssel und Seiten aus
feinem weißem Papier entdeckt.
Menschen schreiben Tagebücher. Bei Vampiren ist das verständlicherweise
schwerlich möglich; denn wer bei Tage schläft, kann zu diesem Zeitpunkt
nicht schreiben.
Und so wird das schwarze Buch zu Annas Nächtebuch.
Eigentlich dürfen Vampire keine Nächtebücher führen, da ihnen persönliche
Aufzeichnungen gefährlich werden könnten. Nicht umsonst ist die Chronik der
Familie von Schlotterstein mit einer Geheimtinte geschrieben, die nur
Vampire lesen können. Doch trotz der Gefahren beschließt Anna selbstbewusst,
das Verbot zu ignorieren. „Hin und wieder muss man seine eigenen
Entscheidungen fällen!“
Eines Sonntagmorgens entdeckt Anton vor seinem Bett ein schmales, in schwarzes Seidenpapier gewickeltes Päckchen. Mit Blick auf das offene Fenster lässt Anton die Geschehnisse aus „Die letzte Verwandlung“ Revue passieren, bevor er von seiner Mutter aus seinen Gedanken gerissen wird und das Päckchen schnell zwischen seinen Schulbüchern versteckt. Nach dem Frühstück entfernt Anton vorsichtig das Seidenpapier und hält das Buch in seinen Händen - Anna von Schlottersteins Nächtebuch. „Das Buch roch nach Moder und Sargluft. Aber da war noch ein anderer Geruch, stellte Anton fest: ein schwacher Rosenduft. Konnte es sein, dass nicht Rüdiger ihm das Päckchen gebracht hatte, sondern ... Anna?“ Anton sucht noch einmal in dem Seidenpapier und findet darin einen Umschlag mit einer schwarzen Feder, die geheimnisvolle Kräfte hat, einem kleinen goldenen Schlüssel und einem Brief von Anna. Und Anton beginnt zu lesen...
Spannend
und detailreich erzählt Anna in ihrem Nächtebuch über die Vergangenheit und
beantwortet Fragen, die in den bisherigen 20 Bänden vom kleinen Vampir
bislang unbeantwortet blieben:
Wann und wo die jetzigen Vampirkinder geboren wurden und wie sie lebten.
Wie Rüdiger, Anna und Lumpi zu Vampiren wurden und was die dabei erlebt
haben.
Wo die Burg Schlotterstein stand und wie sie aussah.
Dass Anna vor Anton schon einmal mit einem Menschenkind befreundet war und
warum die kurze Freundschaft wieder endete.
...
Auch bekannte Handlungen aus den Büchern über den kleinen Vampir schildert Anna im Nächtebuch aus ihrer persönlichen Sicht. Schließlich wäre es für Anna schwerlich möglich gewesen, ein Nächtebuch zu schreiben, ohne darin aus ihrer Perspektive auch über Dinge zu berichten, die schon in den bisherigen Bänden vom kleinen Vampir erzählt wurden. Somit bieten manche Teile des Nächtebuchs zwar auf den ersten Blick nichts Neues, doch werden bereits vertraute Erlebnisse nochmals in die Erinnerung des Lesers zurück gerufen und vertieft. So zum Beispiel, woher Annas Vorliebe für Milch kommt, wie sie die Entstehung der Freundschaft zu Anton erlebte, das Verhältnis zwischen Tante Dorothee und Onkel Theodor und vieles mehr. Kleine Details, wie über die legendären Gruftbauer aus Klausenburg, welche die Familiengruft der Familie von Schlotterstein errichteten, oder die Weberei, welche die Vampirumhänge anfertigte, runden die Erzählungen aus Annas Gefühls- und Gedankenwelt ab. Dies gleicht die ein wenig fehlende Spannung bei bereits bekannten Geschehnissen aus, zumal Angela Sommer-Bodenburgs gewohnt plastische Sprache es dem Leser ermöglicht, Annas Einträge bildhaft mitzuerleben. Auch Annas emanzipiertes Denken entgegen verstaubter Traditionen und veralteter Klischees kommt in ihrem Nächtebuch gut zur Geltung. Viele kleine Bilder der Zeichnerin Amelie Glienke, die bereits die Bücher vom kleinen Vampir gekonnt illustrierte, untermalen liebevoll die Geschichten in Annas Nächtebuch, das mit 192 Seiten etwas umfangreicher ist, als die Bände vom kleinen Vampir. Und auch das Geheimnis um die schwarze Feder wird am Ende gelüftet...
Übersetzungen in 34 Sprachen, zwei Fernsehserien, ein Musical und ein Kinofilm untermauern den Erfolg der Geschichten um Anton Bohnsack, die Vampirkinder Rüdiger, Lumpi und Anna und die Familie derer von Schlotterstein. So ist zu hoffen, dass „Anna von Schlottersteins Nächtebuch“ an diese Beliebtheit anknüpfen wird und wir in einem evtl. zweiten Nächtebuch noch mehr aus der Vergangenheit und der Jetztzeit über die Erlebnisse der Vampire erfahren dürfen.
Fazit: Eine unterhaltsame Mischung aus Bekanntem und Neuem und in jedem Fall ein Muss für jeden Fan des kleinen Vampirs.
("Anna von Schlottersteins Nächtebuch" von Angela Sommer-Bodenburg, Verlag rororo / Rowohlt, ISBN: 978-3499215605, 9,99 Euro. Auch erhältlich als Kindle-Edition)
Interview mit Angela Sommer-Bodenburg zu Anna von Schlottersteins
Nächtebuch.
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